Yin und Yang

Mit Anfang 20 benutzte ich einen gewissen "Frauenkalender". Er war natürlich in einem dunklen Aubergine-Ton gehalten, mit einem feministischen Zeichen vorne drauf und frau konnte sich mit ihm emanzipiert fühlen.
In diesem Kalender für "Emanzen" standen Sprüche von Frauen für Frauen.
Unter anderem stand da doch tatsächlich ein Spruch, der der produktiven, eigenwilligen Coco Chanel zugeordnet wurde und so ganz und gar nicht in das feministische Konzept passte:
Eine Frau,
die nicht geliebt wird,
existiert nicht.
Dieser Spruch ist für mich noch immer ein Schlag in die Magengrube.  Wenn mir das ein Macho sagen würde ..... aber in einem Frauenkalender! Welch eine Botschaft, fast niederschmetternd. Wir Frauen sind nur existent durch die Liebe eines Mannes? Das ist ja schlimmer als jedes Märchen, in dem man nur durch die Liebe erlöst werden kann! Hallo? Geht´s noch? So dachte ich mit Anfang zwanzig.

Mit Mitte fünfzig treffe ich heute Frauen, die sich nach nichts mehr sehnen als nach einer Liebesbeziehung mit einem Mann. Anscheinend tragen wir Frauen die Botschaft in uns, dass uns nur ein Mann komplett machen kann. Das finde ich traurig.

Auf youtube gibt es viele Videos zum Thema "Neue Partnerschaft". Eine Freundin ist Fan dieser Botschaften von Menschen, die meistens in einer Paarbeziehung sind und darüber reden, wie sie diese neue Partnerschaft versuchen zu leben. Im Kern geht es oft darum, dass wir als allererstes wieder eine Beziehung zu uns selbst herstellen müssen. Zu unseren Gefühlen, unseren Bedürfnissen, aber auch zu unseren inneren Abgründen.
Gerade für die Männer ist das eine große Herausforderung, wurden sie doch seit Ewigkeiten dazu erzogen, genau das nicht wahrzunehmen, zu verleugnen oder zu verdrängen. Männer müssen stark sein, koste es was es wolle.
Aber auch für Frauen ist das nicht einfach. Wurden sie doch über so viele Jahre manipuliert um benutzt werden zu können. Viele definieren sich noch immer über einen Mann und können die Liebe zu sich selbst nicht spüren ohne ihn.

Meine Freundin und ich diskutieren oft über dieses Thema und die Herausforderungen für beide Geschlechter.

Aus der Bibliothek eines buddhistischen Klosters, in die man Bücher einstellen oder mitnehmen kann, hat meine Mann am Wochenende ein Büchlein mitgebracht, das gar nicht so neu ist. Es wurde 1979 von einer Frau namens Sukie Colegrave veröffentlicht und heißt Yin und Yang. Der Klappentext beschreibt, meines Erachtens, die (nicht ganz so) neuen Aufgaben sehr schön:

Yin und Yang, so nennen die Chinesen die beiden grundlegenden Kräfte, die in dieser Welt und in jedem Menschen wirken.

Yin ist das Weiblich-Wartende gegenüber dem männlich-drängenden Yang, das intuitiv Erfassende gegnüber dem diskursiven Denken, das Zulassen gegenüber dem Machen. Wo diese beiden Kräfte, sei es in der Psyche des Menschen oder in der von ihm geschaffenen Zivilisation, nicht im Gleichgewicht sind, hat das tiefgreifende Folgen. Die psychologische Vereinsamung des Menschen und die Zerstörung der Natur in unserer, seit Jahrhunderten von männlichen Werten bestimmten Kultur, sind Ausdruck eines Ungleichgewichts von Yin und Yang.

Sukie Colegrave plädiert in diesem Buch für eine Selbstbestimmung des Mannes wie der Frau. Beide müssen den jeweils anderen, gegensätzlichen Pol in sich anerkennen und ihre im Kern androgyne, das heißt gleichzeitig männliche als auch weibliche Natur, entwickeln. Nur so kann der Mensch zu einer körperlichen und geistigen Ganzheit und einer gleichberechtigten Partnerschaft der Geschlechter gelangen.
(...)
Mit ihrer faszinierenden Synthese von östlicher Weisheit (Yin) und dem wissenschaftsanalytischen Denken des Westens (Yang) leistet sie einen einzigartigen Beitrag zur Beseitigung der Missverständnisse über die Sexualität.




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