Viele Wege führen nach Rom

Und alles in dieser Stadt ist bombastisch.
Ob es das Nationaldenkmal für Viktor Emanuel II. ist, dessen ewige Flamme von ewig bewachenden Soldaten gehütet wird, der ausladende, pompöse Brunnen Fontana di Trevi oder die größte Kirche der Welt, Petersdom genannt.
So viele Wege auch in die Ewige Stadt führen, so sehr erstaunt es, dass diese Stadt lediglich zwei Metrolinien hat, die nicht an die Sehenswürdigkeiten angebunden sind. Um dort hinzukommen, muss man sich in das Gewirr der Gassen werfen, denen so ziemlich kein Stadtplan gewachsen ist (wir hatten drei zur Auswahl). Oder man ersteht in einem der Tabakläden einen Busplan, dessen Ausarbeitung so gar nicht dem deutschen Ordnungssinn entspricht. Aber schließlich ist Urlaub ja auch immer ein bisschen Abenteuer.
Einer der kleineren Umschlagplätze für Busse und Straßenbahn ist der Largo Argentina. Und für mich ist dieser Platz bezeichnend für Rom. Dort, wo in anderen Städten ein kleiner Park angelegt wäre, ein Minieinkaufszentrum, ein Kiosk oder ein Spielplatz, dort gibt es in Rom antike Ausgrabungen. Vier Tempel wurden offengelegt, auf einem Areal, das halb so groß wie ein Fußballfeld ist. Je tiefer gelegen, desto älter der Tempel und ich kann mir bildhaft vorstellen, wie jedes neue Bauvorhaben für eine Metrostation vereitelt wird durch Funde von Säulen, Kapitellen, Münzen. Und wer viel zu Fuß abläuft, findet an jeder Ecke Antikes, das ins moderne Leben hineinragt.
Fast jede der Ausgrabungen liegt tiefer als die moderne Stadt Rom und es ist, als ob eine Stadt auf einer Stadt aufgebaut wurde. Das ist normal, dass Städte auf den Trümmern der Vergangenheit aufgebaut wurden und werden, aber hier, in Rom, ist es so offensichtlich. Offensichtlich zur Schau gestellt deswegen, weil das, was darunter liegt, von Wert ist. Man könnte ja all den alten Bauschutt mit einem Bagger ausgraben und das bauen, was gebaut werden soll. In der Metropolregion, in der ich lebe, werden zur Zeit beim U-Bahnbau alte Bomben gefunden, die entschärft werden müssen und dann wird weitergebuddelt.
Aber Rom ist Rom und das, was hier offenbart wird, zeigt, wie das, was von Menschenhand erschaffen wird, aufeinander aufbaut.
Etwas muss vergehen, damit Neues entstehen kann.
Und was für Pflanzen und Lebewesen gilt, das gilt auch für Erschaffenes. Alles ist vergänglich. Was bleibt sind Reste, Spuren, manchmal auch nur Erinnerungen oder Interpretationen.
Und ich frage mich, was irgendwann einmal auf dem aufbaut, was wir geschaffen haben und zu Schutt und Asche zerfallen ist. Ob ein Teil des Eiffelturms aufgestellt wird, Überreste der Berliner Mauer, ein Bruchteil des Opernhauses von Sydney, das 22. Stockwerk eines Wolkenkratzers.
In einem alten Lied von Ludwig Hirsch (1928) erzählt er die Fantasie eines alten Mannes, der sich vorstellt wie uns eines Tages Wesen von einem fremden Planeten besuchen. Sie hätten Pillen gegen die Traurigkeit für uns dabei gehabt, aber leider gab es uns nicht mehr. Sie fanden einen alten Filmprojektor, in dem noch ein Micky Maus Film eingespannt war. Sie sahen sich den Film an und fanden, dass die Menschen lustig waren und ihre Pillen nicht gebraucht hätten.
Wird Rom, die Ewige Stadt noch stehen, wenn es uns vielleicht gar nicht mehr gibt? Vielleicht liegt sie einmal unter Wasser, wenn die Gletscher abgeschmolzen sind und wird zum Mythos - so wie Atlantis oder sie wird von Unterwasserwesen bewohnt. Wesen, die aus der ehemaligen Gattung der Säugetiere, die aus dem Wasser an Land gingen, widerum zu Wesen mutiert sind, die im Wasser überleben können. Oder Wesen, die gegen radioaktiv- und giftmüllverseuchte Lebensbedingungen resistent sind?
Das einzig Beständige ist die Veränderung.
Was bleibt? Letztendlich?

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