Gastbeitrag zu "mehr Verständnis für Alltagsgepflogenheiten anderer"

Heute habe ich einen Beitrag erhalten, der nicht unbedingt der Kampagne "Ein Prozent" zuzuordnen ist. Außer man möchte sagen "Danke Radio, dass es dich gibt".

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Gestern war ich bei einem Bekannten. Die Abende bei ihm sind meistens tiefgründig, füllend und erheiternd, und so habe ich gestern auch wieder etwas Neues dazugelernt.
Wir waren gerade auf dem Weg nach draußen, um spazieren zu gehen, als ich ihn vor der Haustür fragte, ob er nicht das Licht und das Radio ausmachen will und warum es bei ihm die ganze Zeit läuft.
Daraufhin bekam ich eine Antwort, die ich nicht erwartet hatte. 
Früher hatte er einen Wellensittich, der aber nach 9 1/2 Jahren gestorben ist (was, wie ich auch noch nicht wusste, alt für einen Wellensittich ist). Um in diesem Wellensittich nicht das Gefühl aufkommen zu lassen, er wäre ganz alleine (was für uns Menschen auch ein schreckliches Gefühl sein kann), habe er immer das Licht und die Musik angelassen, wenn er aus dem Haus gegangen ist. Der Vogel hat es genossen "Gesellschaft" zu haben und immer fröhlich mitgezwitschert.
Doch er meinte, irgendwann sei er dahinter gekommen, dass Radio einen Vorteil gegenüber der ausgewählten Musik hat. Wenn man eine CD einlegt und anhört, ist das immer situativ bestimmt. Wenn man schlechte Stimmung hat, legt man Musik ein, die auf diese Stimmung eingeht oder vielleicht sogar noch verstärkt.
Der Vorteil des Radios sei, man fühle sich als Teil eines Kollektivs. Im Radio reden die Leute über ein Thema, es kann noch so banal sein, sie reden miteinander und man fühle sich als würde man mitreden, etwas zu sagen haben. Er sagte zu mir, dass er das Radio die ganze Zeit anlasse, um sich integrierter zu fühlen, als Teil der Gesellschaft. Dass er es auch anlässt, wenn er aus dem Haus geht, ist ein Überbleibsel seiner Wellensittich-Zeit, was er sich aus gutem Grund nicht abgewöhnen will.
Als ich mich nach dem Spaziergang von ihm verabschiedete und auf meinem Fahrrad nach Hause fuhr, dachte ich nochmal darüber nach, was ich gerade gehört habe. Ich finde es erstaunlich wie viel in einer kleine Sache stecken kann, wie das Radiohören.
Früher dachte ich Menschen machen es nur um sich einfach abzulenken, weil sie die Stille nicht ertragen können. Einige machen es vielleicht auch deswegen, was vollkommen in Ordnung ist. Nur manche Leute machen alltägliche Dinge zu einer tiefsinnigen Sache und füllen diese mit ihrer Weisheit.
Ich danke meinem Bekannten dafür, dass er mich in das Verständnis seines individuelle Radiohörens eingeführt und mir ein bisschen mehr Verständnis für den Alltag gegeben hat.
 
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