Esoterik IV: Nachtrag - Esoterikseminarerfahrungen
In diesem Nachtrag möchte ich mich bei Herrn Robert Betz bedanken.
Dafür, dass er mir so eine großartige Projektionsfläche zur Aufarbeitung meiner Seminarerfahrungen gibt.
Ich habe zwei Seminarschulen besucht. In die erste bin ich völlig unbedarft reingerutscht. Aus der Kampfkunst kommend, interessierte mich alles rund ums Ki, Chi oder Lebensenergie. Als mich eine Freundin fragte, ob ich einen Reikikurs mit ihr besuche, dachte ich "Okay, da ist Ki drin, mal sehen, was es da so gibt". Zwei Stunden nach Kursbeginn befand ich mich, völlig ahnungslos von "Geistheilung", in meiner persönlichen "Bewusstseinshölle". Da blieb ich drin und entschloss mich zum Durchlauf der gesamten Reiki-Ausbildung. Ich wollte eine Antwort auf meine Frage "Was ist da passiert?".
Die zweite Seminarschule besuchte ich weit weniger naiv. Ich bin vorsichtiger geworden und wusste mehr, was ich annehmen will und was nicht. Die Homepage wirkte vertrauenserweckend, die Feedbacks waren durch die Bank positiv bis euphorisch.
Seminarschulen werden nicht immer von Menschen geführt, die fundierte psychologische Kenntnisse aufweisen. Oft werden ausgebildete Therapeuten sogar diffamiert, die Methoden, die sie anwenden, entsprechen nicht dem neuesten Stand der Dinge. Sprich, dem neuesten Stand der "Geistigen Welt", denn viele Seminarschulen sind esoterisch durchdrungen. Den Auszubildenden wird suggeriert, dass sie innerhalb kürzester Zeit weit mehr lernen und erreichen können als mit herkömmlichen Methoden. Was mich selbst betrifft, stimmt das sogar. Nach einer grottenschlechten Therapieerfahrung war ich froh Mittel an die Hand zu bekommen, die Hilfe zur Selbsthilfe bedeuten. Aber ich zahlte eben auch meinen Preis. Finanziell und emotional. Ich durfte wirklich durch meine Hölle gehen. Und ich sehe mich nach drei Ausbildungen nicht auf einer Ebene mit ausgebildeten Therapeuten. Es fehlt wichtiges Hintergrundwissen, das autodidaktisch nachgeholt werden muss.
Seminarschulen bilden Leute aus, die selbst oft mit einem schweren psychischen Päckchen antreten. Viele Dinge im eigenen Leben sind noch ungeklärt und treten dort zutage. Es entwickelt sich eine Gruppendynamik, der man sich schwer entziehen kann. Man geht in seinen eigenen Prozess. Wer über eine gute stabile psychische Konstitution verfügt, kann geklärt rauskommen. Wer dagegen labil ist, geht oft geschädigter nach Hause als er angetreten ist. Es will sich kein Wohlgefühl einstellen. In beiden Seminarschulen wurde von Leitern, die keine Erfahrungen in Traumatherapie haben, retraumatisiert. Du wirst aufgefordert vor einer Gruppe deine "Geheimnisse" zu offenbaren, weil das deinen eigenen Heilungsprozess unterstützt und du erzählst deine Geschichte, die du bisher sorgsam gehütet hast, vor Menschen, die mal kurz nicken und dann im Programm weitermachen, da du ja keine Therapie, sondern eine Ausbildung gebucht hast. Wenn nun die Seminarleiter esoterisch angehaucht sind, bekommst du zu hören "Es war deine Entscheidung hierher zu kommen und deine Geschichte zu erzählen. Dass dir das passiert ist, hat seinen Grund. Schau mal bei dir selber hin." Eigenverantwortung, das Lieblingswort der Esoteriker. Nicht falsch, aber mitunter gnadenlos. Ich kann kein Urteil über die Schule von Robert Betz abgeben, ich habe dort kein Seminar besucht. Seine Art von Kontakt zur "Geistigen Welt" würde mich heute schon im Vorfeld davon abhalten. Ich habe nichts gegen die "Geistige Welt", so lange sie sich mir selbst offenbart. Aus zweiter Hand und interpretiert mag ich sie weniger.
Einige Therapien arbeiten inzwischen mit "Rückführungen", so wohl auch die Transformationstherapie nach Betz (s. Artikel des Fachbereichs Sekten- und Weltanschauungsfragen der Erzdiözese München und Freising). Da wir eher dazu geneigt sind uns als "Opfer" von Umständen zu sehen und weniger als "Täter", können solche Reisen in Bilder erhebend sein, wenn wir in ein "altes Leben" gehen und dort Zauberer, Lehrer, Jünger sind. Und es kann sehr verstörend sein, wenn wir in eine Metapher gehen, wo wir plötzlich Schlächter, Kriegsführer, Vergewaltiger sind. Man ist schnell reingeführt und nicht immer sicher rausgeführt. Es ist ein Spiel mit dem Feuer. Gut, wer erlöst und beseelt herauskommt und nun endlich seine Bestimmung erkennt. Weniger gut, wer in einen Albtraum geht und steckenbleibt. Wem wollen wir unsere Seele anvertrauen?
In der Transformations Woche (5 1/2 tägige Seminare) wechseln sich Vorträge, Erfahrungsaustausch und Meditationen ab. Die Seminare erfreuen sich wachsender Beliebtheit und erreichen Teilnehmerzahlen von über 200 Personnen pro Transformationswoche. Bei der Intensität der Meditationen bleibt es nicht aus, das häufig Menschen mit starken emotionalen Themen sehr heftig reagieren. In solchen Fällen ist eine weitere therapeutisch Betreuung dringend angeraten, da ansonsten die emotionale Verfassung des Teilnehmers nach der Transformationswoche eventuell schlimmer ist als vorher. In der Transformationswoche wird viel aufgedeckt, was oft lange verborgen war. Jeder Teilnehmer einer Transformationswoche sollte sich vorher fragen, ob er dazu in der Verfassung ist.
Je nach Meditationstiefe der einzelnen Teilnehmer treten teils sehr heftige Reaktionen auf. Auf Grund der hohen Teilnehmerzahl eines solchen Seminars ist in solchen Situationen nicht immer eine optimale Betreuung der Transformationswochenteilnehmer gewährleistet. Wer weiß, daß er (oder sie) solche Themen hat, sollte sich gut überlegen, ob er es riskiert, in einer Massenmeditation eine ernstzunehmende Reaktion zu bekommen.
Die mit Robert Betz anwesenden Transformationstherapeuten waren bei meiner Transformationswoche mit einer solchen Reaktion einer Transformationswochenteilnehmerin völlig überfordert.
Homepage Meta-EFT "Transformationstherapie nach Robert Betz"
(Anm. Die Homepage Meta-EFT wurde in der Zwischenzeit umgestaltet, die o.g. Stellungnahme finden Sie nun hier)
Ich habe mich täuschen lassen. Von schönen Worten, von Werbung. Im Internet gibt es keine Regeln. Für Homepages gibt es keine Regeln. Was verkauft werden will, wird verkauft. Wunderschön verpackt. Licht und Liebe all over. Ausgestattet mit Feedbacks, die in den Himmel loben. Ich will nicht sagen, dass das nicht passieren kann. Es gibt Leute, die gehen beflügelt raus. Aber es gibt eben auch die, die mit einer noch mehr geschädigten Seele, einer kaputten Beziehung oder einem leeren Konto rausgehen. Die Verantwortung dafür liegt einzig und allein bei dir. Es gibt keine Regressionsansprüche, wie wir das gewohnt sind. Gerne lässt man sich das auch unterschreiben vor Seminarantritt, den Ausschluss von Haftungsansprüchen. Du buchst so ein Seminar im freien Fall, ohne Fallschirm. Der Hinweis fehlt in der Ausschreibung.
Wie ihr seht, bin ich noch immer nicht ganz darüber hinweg, sonst würde mich Robert Betz und die glückliche Schar um ihn herum nicht jucken. Soll er beglücken, ein Franchiseunternehmen aufbauen, lächeln und lachen, transformieren.
Ich durfte hinter dieses Lächeln gehen und mitbekommen, dass nicht alles so rosarot und Licht und Liebe ist, wie es scheint. Auch die Esoterik unterliegt weiträumigen Illusionen. Der Zeitgeist steht nun mal auf Illusionen. Spirituelles Erwachen ist toll, das Aufwachen in der Realität ist nicht selten hart und ernüchternd.
Mein Esoterikausflug endet hier. Danke an die, die mich begleitet haben. Danke an die, die mich während meinen Ausbildungen und darüber hinaus gehalten, gestützt und getragen haben.
Und danke an Christoph R., einem meiner "Trainer", geheilt von Esoterik und Inspiration für diesen Ausflug.
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Mehr Informationen finden Sie auf der Homepage des NDR, der sich Robert Betz unter dem Titel "Robert Betz: "Glücks-Coach" oder Scharlatan" im November 2013 widmete.
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Eine Übersicht zum Thema finden Sie auf meiner Website unter "Esoterik - eine Reflexion".