... indem er es einfach tat

In einem Interview fragt das ZEIT-Magazin Nr. 6 den Regisseur Bernardo Bertolucci, welche Rolle Pier Paolo Pasolini für ihn spielte. Seine Antwort:
Pier Paolo lebte lange Zeit mit seiner Mutter im selben Haus wie meine Eltern. Er hatte Gedichte geschrieben, Romane und Drehbücher, als ich ihn eines Morgens, ich war 19 oder 20, an der Tür traf. Er sagte: "Du liebst doch das Kino, richtig?" Ich sagte: "Ja, das stimmt." - "Okay, ich drehe bald meinen ersten Film, und du wirst mein Regieassistent sein!" Ich antwortete: "Aber Pier Paolo, ich habe das noch nie gemacht!" Und er sagte: "Ich auch nicht!" So bin ich jeden Morgen um sieben Uhr vom fünften in den zweiten Stock runtergegangen, habe an seiner Tür geklopft, wir liefen zur Garage, wo sein Alfa Romeo Giuletta stand und fuhren zum Dreh. Wir besprachen unterwegs, was wir an dem Tag drehen würden, manchmal erzählte mir Pier Paolo, was er in der Nacht geträumt hatte. Ich war vollkommen verzaubert von ihm. Er war so ein Genie. Genie ist ein abgegriffenes Wort, aber er war einfach ein außerordentlicher Dichter und Regisseur - und ich hatte das Privileg, dabei zu sein, wie er seinen ersten Film drehte, Accattone. Es war großartig, zuzusehen, wie er das Filmemachen entdeckte, indem er es einfach tat.
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