Menschen, denen ich gerne begegnen würde

Es ist Freitag - Putztag.

Egal wo, ob zuhause oder im Büro.
Keine Putzfrau (geschweige denn Putzmann) in Sicht, es gibt nur Herr und Frau Putz.
Ich muss gestehen: Ich mache alles, fast alles, aber putzen ist schrecklich.


In meinen jungen Jahren war ich mal an der Uni eingeschrieben (Kunstgeschichte und Italienisch). Mehr als die Universität besuchte ich die Studentenvermittlung. Ich brauchte Jobs - sprich Geld. Und ich nahm alles an: Kartoffeln schälen in der Großkantine, Lichtpauserei von überdimensional großen Plänen in einem Architekturbüro, eine Statistenrolle in einer regionalen Serie, einen Putzjob für ein Büro. Der in einem Privathaus befindliche Büroraum war schnell sauber gemacht. Dann kam die Dame des Hauses und forderte, dass ich das private Badezimmer putze. Würg ... der Job war nach der ersten Erledigung ad acta gelegt. Kartoffelnschälen lag mir mehr. Kartoffeln haben keine langen schwarzen Haare, die sich partout in allem verfangen. Seitdem habe ich eine "lange-schwarze-Haare-Phobie". 

Ich persönlich hatte nie lange und schon gar keine schwarzen langen Haare. Seit einem Jahr trage ich Corona-Haarschnitt. Die Entscheidung zwischen "langer Matte" und "Punk-Frisur" war schnell getroffen, nachdem alle Friseure schließen mussten. Unser Sohn hinterließ einen "Mönchsfrisur-Rasierer". Als ich im April 2020 meinem Mann den Auftrag gab meinen Kopf zu rasieren, sträubte er sich vehement. Seit einem Jahr trage ich Nonnenfrisur. Kurz - sehr kurz.

Keine langen schwarzen Haare im Waschbecken, auch nicht in der Dusche. Stoppeln hinterlassen wenig Spuren. Ich hasse trotzdem Putzen!

Putzen ertrage ich nur mit lauter Musik. Laut! Bedeutet Zugrunde-richten von Lautsprechern. Tja, alles hat seinen Preis ...

In meiner Jugend hörte ich Rod Stewart.
Als ich mir endlich einen Plattenspieler leisten konnte, war die erste LP, die ich mir kaufte, bereits eine Best of Rod. 
Später lernte ich in einem Reisebüro. Mein Chef war cool und ... Rod Stewart Fan. Das ganze Büro war Rod-infiziert. Unser Betriebsausflug war ein Rod Stewart Konzert in München. Eine Arbeitskollegin und ich schafften es ganz nach vorne in die erste Reihe. Sie wurde ohnmächtig, von den Bodyguards herausgezogen und in Sicherheit gebracht. Ich überlebte das Konzert bei vollem Bewusstsein in erster Reihe. Den anschließenden angesagten Clubbesuch allerdings verbrachte ich auf der Damentoilette. Beschäftigt damit, meine pitschnassen Klamotten unter dem Handföhn zu trocknen. Schließlich überließ mir mein Chef sein Jacket, das ich mir über mein klitschnasses Unterhemd zog. Superschöne Erinnerung.

Später war ich unterwegs mit Bruce Springsteen.
Er lief auf meinem Walkman rauf und runter. Fast wie eine Meditation. Da war eine Reise zu dritt. Drei sind einer zu viel. Aber ich hatte Bruce. Mit Bruce waren wir zu viert. Bruce und ich und die anderen zwei. Lief. Neapel, Capri, Amalfitana, Aspromonte - Bruce und ich. Wir erlebten alles gemeinsam. Ein Eindringling fragte "Gibt es nur Bruce?" Ja, nur Bruce.
Später sah und hörte ich ihn, wieder, in München. Diesmal nicht in der ersten Reihe, sondern von ziemlich weit weg. Mit seiner großen Liebe Patti Scialfa. Schönes Konzert.

Dann kam Tom Waits.
Tom ist schon speziell. Ich ja auch. Das erste Mal hörte ich ihn in einem Cafe. Ausgerechnet bei einem Treffen mit meiner Ex-Jugendliebe. Ich konnte dem Gespräch kaum folgen und fragte die Bedienung, welche Musik da läuft: Tom Waits.
Tom war der Gefährte, der mit mir in einer Bar trank bis zum Umfallen.  Er und ich: Eins.

Noch immer. Aber. Da ist noch einer. Er hat sich dazwischengeschlichen. Xavier. Mein Gott! Ja. Er hat keine Mayo-Frisur wie Rod. Keinen working-man-touch wie Bruce. Keinen Kotz-in-die-Toilette-Charme wie Tom. Er trägt (trug) Dreadlocks wie Marley. Spielt Didgeridoo.

Echt jetzt. Vor zwei Jahren schenkte ich der Liebe meines Lebens zwei Karten für ein gemeinsames Konzert (er mag seine Musik auch). Er spielte auf unserer örtlichen Kleinkunstbühne! Plötzlich waren die Biergarnituren im Innenhof bevölkert mit Rastafaris und richtig coolen Typen. Wir wiegten uns im Sound. So schön. Meine heutigen Stoppeln wuchsen zu Rastalocken. Was trägt ist der Spirit.

Heute und Hier und Jetzt.
Danke Xavier. Du trägst mich durch das völlig uncoole Badezimmerputzen und überhaupt ... irgendwie ist gerade so richtig viel ziemlich uncool und unentspannt ... 

Was machst du? Wie geht es dir? Lass uns einen trinken gehen. Geht nicht. Alles geschlossen. Mist.
Plündern wir unseren Weinkeller.

Alle Leute da draußen, die als nicht-systemrelevant gelten. Ihr seid so was von nötig. 

 



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