Streit-Kraft

Gestern folgte ich der Einladung zu einem feierlichen Gelöbnis in der Reinhardts-Kaserne in Ellwangen.
Der Beschluss der Regierung zur Abschaffung der Wehrpflicht hat weitreichende Konsequenzen, unter anderem die Auflösung des Transportbataillon 465 zum 31. März 2014.
Das gestrige Gelöbnis von circa 80 jungen Rekruten, die ihrem Vaterland schworen zu dienen, sollte das letzte in der hiesigen Kaserne sein und zu diesem Anlass fand sich Prominenz ein.
Eigens angereist zur Untermalung mit Marschmusik und deutscher Nationalhymne kam das Heeresmusikkorps Ulm.
Wenn in unserer Stadt die Big Band der Bundeswehr einen Auftritt hat, gibt es Polizeigroßeinsatz. Studenten der Geisteswissenschaften demonstrieren noch immer gerne und ein paar versprengte Spontis sorgen für Aufruhr. Gestern wurde die Kapelle mit militärischem Gruß anerkannt und gefeiert.

Wie bei jeder Feier wurden Reden gehalten. So auch vom extra angereisten Wahlkreispolitiker, der Mitglied des Bundestages ist. Er hielt eine schöne Rede, eine Abschiedsrede und er dankte den Rekruten für ihre Entscheidung zur Verteidigung der Freiheit ihres Vaterlandes. Von Tapferkeit war die Rede und von Durchhaltevermögen. Bedankt wurde sich auch bei den Angehörigen und beim Militärpfarrer, der die Truppe seelsorgerisch unterstützt. Bis gestern wusste ich nicht, dass es so etwas wie "Militärpfarrer" gibt. Kirche und Streitkräfte? Wie verträgt sich das? Von Friede war die Rede und dem Einsatz für diesen. Und da ist die Frage, die mich schon lange umtreibt. Wie kann Friede geschaffen werden durch Kampf?
Da die Bundeswehr und ihr Einsatz den Entscheidungen der Regierung unterliegt, kämpfen die Soldaten für die Auslegung einer Regierung. Das Verständnis einer Regierung, was Friede und Freiheit bedeutet, muss nicht übereinstimmen mit der persönlichen Überzeugung. Wenn der Einsatzbefehl kommt, wird ausgerückt. Nach Afghanistan, in den Kosovo, an die türkische Grenze zu Syrien, an die Elbe und ihre Fluten.
Die Aufgabe eines Heeres ist die Verteidigung, der gestrigen Rede zufolge die Verteidigung von Friede und Freiheit. Irgendetwas ist in Europa passiert, dass die Notwendigkeit der Pflicht für den Dienst an und mit der Waffe nun der Freiwilligkeit unterliegt. Einsetzender anhaltender Friede braucht keine Soldaten mehr, die ihn verteidigen müssen.

Als ich vor einigen Wochen in einem buddhistischen Kloster mit einem Mönch sprach, benutzte er ähnliche Worte wie der Oberstleutnant des Bataillons. Beide sagten über den Weg, den sie freiwillig eingeschlagen hatten "Es ist nicht einfach Mönch/Soldat zu werden und Mönch/Soldat zu sein". Der eine sucht den Frieden im Innen, der andere im Außen.

Manchmal denke ich, dass es allgemein nicht einfach ist Mensch zu sein, aber es gibt Wege, die mit viel Entbehrung einhergehen und das sind wohl die, die noch ein bisschen schwerer sind.

Ich habe gestern durchweg symphatische junge Menschen gesehen, die ein Ziel haben und es mit Biss verfolgen. Ich wage nicht darüber zu urteilen, ob ihr Ziel erstrebenswert ist oder nicht. Wenn die Absicht dahintersteht für Friede und Freiheit einzutreten, ist das für mich eine gute Absicht. Das kann klappen oder schief gehen. Wie alles, was wir im Leben verfolgen. Was mit Idealen beginnt, wird häufig entmystifiziert. In jede Richtung. Meistens kann erst nach der Entmystifizierung die Reflexion erfolgen. Und dann zeigt sich, was an Überzeugung übrig bleibt. Wir reifen an den Enttäuschungen. In welchem Bereich man sich die Enttäuschung abholen will, darüber entscheidet jeder selbst.


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